Zwei Jahre Corona-Pandemie haben eins wohl so deutlich gemacht wie kein anderes Ereignis der vergangenen Jahre: Die öffentliche Verwaltung braucht Social Media. Gleich ob Kommune, Land oder Bund – Social Media in der öffentlichen Verwaltung ist kein Kuriosum mehr, sondern vielfältig gelebte Praxis. Die öffentliche Verwaltung ist zunehmend mit der Erwartungshaltung der Bürger:innen konfrontiert, besser zu kommunizieren. Mit „besser“ ist zumeist gemeint: schneller, transparenter, dialogorientierter, verständlicher und unbürokratischer. Damit geht einher, dass Sie dadurch Vertrauen und Nähe gegenüber Ihrer Behörde und deren Entscheidungen schaffen können.

Dieser Erwartungshaltung wird öffentliche Verwaltung im Jahr 2022 nicht mehr nur auf traditionellem Wege gerecht: Ja, klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hat ihre Daseinsberechtigung und ist wichtig. Auch heute noch erreichen wir auf diesem Weg gewisse Teile der Bevölkerung. Aber andere eben auch nicht: Vor allem jüngere Generationen, wie die Generationen Y und Z, lesen eher keine (Print-) Zeitung, hören bevorzugt Streaming-Dienste und lineares Fernsehen ist für sie ein Fremdwort, wie es unter anderem die ARD/ZDF-Onlinestudie 2021 zeigt. Beim Wort Amtsblatt schauen sie uns mit großen Kulleraugen fragend an. Sie informieren sich anders, unter anderem in Social Media. Und deshalb muss aus kommunikatorischer Sicht Social Media auch in der öffentlichen Verwaltung vorhanden sein. Die Zeiten von Einbahnstraßen- und Verkündigungskommunikation sind endgültig vorbei. Social Media ersetzen dabei auf keinen Fall klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Keine Pressemitteilung, keine Informationsveranstaltung, keine Website. Aber sie gehören in den Kommunikationsmix einer jeden Behörde.

Was ist eigentlich das Neue an Social Media in der öffentlichen Verwaltung?

Schnell stellt sich die Frage, was eigentlich das Neue an Social Media in der Behördenkommunikation ist. Amtsblätter von Kommunen, Ländern oder Bund liest kaum ein:e Bürger:in. Auch im Vor-Digitalen-Zeitalter erfolgte daher immer eine Übersetzung von Verwaltungsakten und trockenen Verordnungen in die Medien. Journalist:innen waren hier Schleusenwärter:innen der Themen und somit auch zum gesellschaftlichen Diskurs. Die neu dazugekommenen Schleusenwärter:innen sind die Social-Media-Plattformen, genauer deren Algorithmen, mit all ihren Nebenwirkungen wie Filterblasen und Echokammern. Gemeint ist damit, dass jede:r Nutzer:in durch sein:ihr Verhalten in den Sozialen Netzwerken den Algorithmus „erzieht“, sodass dieser ihm:ihr vorrangig das anzeigt, was in das jeweilige, schon vorhandene Weltbild passt.

Zentrales Wesensmerkmal von Social-Media-Plattformen ist, dass sie einen niedrigschwelligen Feedback-Kanal haben: Hier kann jede:r liken (wobei je nach Plattform auch andere Rückmeldungen wie Herzen, wütende Smileys oder ähnliches möglich sind), teilen und kommentieren. Die Hürde, einen Tweet abzusetzen oder auf Facebook einen Kommentar zu posten, ist niedriger, als einen Brief zu schreiben, zu telefonieren, ja selbst eine E-Mail zu verfassen.

Online-Kommunikation und damit auch Social Media in der öffentlichen Verwaltung ersetzt dabei nicht die klassische Presse- und Medienarbeit, aber sie ist eine wichtige Ergänzung. Eine Kollegin brachte es mir gegenüber einmal sehr treffend auf den Punkt: „Sie legen als Social-Media- und Community-Managerin für unsere Behörde das Ohr auf die Bahnschienen.“ Was sie sehr gut erkannt hat: Häufig ploppen in Social Media Themen früher auf, als sie auf klassischen Wegen die Behörde erreichen.

Es ist für Social-Media-Manager:innen und Community-Verantwortliche in den Behörden aber besonders in Ausnahmezeiten, wie in einer Pandemie, auch hart: Hier kommt teilweise sehr unverblümt der durchaus verständliche Frust über die Gesamtsituation auf den Tisch. Hier hilft es, wenn Sie eine klare, transparente Netiquette für Ihre Community haben, auf die Sie hinweisen können. Bei rechtlichen Verstößen nutzen Sie auch rechtliche Schritte. Bei der Bezirksregierung Arnsberg haben wir uns für eine kurze, prägnante Form der Netiquette entschieden.

Behörden können in Social Media ein offenes Ohr zeigen, ihren Bürger:innen zuhören und sie dahin lotsen, wo es die Hilfe gibt, die Bürger:innen oftmals suchen: zum Beispiel finanzielle Fördermittel, Informationen zur Gesundheitsversorgung, Fragen rund um Schule, Ansprechpersonen im Bereich Arbeitsschutz u.v.m. Das Zuständigkeitsprinzip in der öffentlichen Verwaltung ist für Außenstehende allzu oft kaum durchschaubar. Hilfe durch den behördlichen Dschungel ist gerne willkommen.

Auf welchen Social-Media-Netzwerken ergibt ein Engagement für Behörden überhaupt Sinn? Die Qual der Wahl

„Social Media ist wie eine Gartenparty. Es wird über einen geredet, egal ob man dabei ist oder nicht“, so hörte ich es vor Jahren bei einem Vortrag von einer Community-Managerin eines Konzerns. Das ist grundsätzlich richtig. Wenn Sie aber für Ihre Behörde selbst mitmischen, können Sie Ihre öffentliche Verwaltung selbst präsentieren, Menschen überzeugen, zeigen wer Sie sind und was Sie machen.

Social Media sind in der öffentlichen Verwaltung nicht immer ein Zuckerschlecken: Schließlich landet hier auch manchmal der gesammelte Frust von Bürger:innen. Dennoch sind Social Media nicht Kür, sondern Pflicht – Bürger:innen haben ein Recht darauf zu wissen, was Behörden wie und warum tun. Der Staat und damit auch seine Behörden müssen da sein, wo seine Bürger:innen sind. Doch wo sind die Bürger:innen auf Social Media?

Wo Bürger:innen unterwegs sind

Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2021 nutzen 94 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2021 das Internet (100 Prozent der 14- bis 49-Jährigen, 95 Prozent der 50-69-Jährigen und immerhin noch 77 Prozent der Über-70-Jährigen). Betrachtet man die dort ermittelte Internet-Tagesreichweite, so liegt diese bei 76 Prozent; in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen sogar bei 99 Prozent, bei den Über-70-Jährigen immerhin noch bei 42 Prozent.

In derselben Studie wird auch die Social-Media-Nutzung (täglich oder wöchentlich) ermittelt. Betrachtet man alle Erwachsenen ab 14 Jahren, so sind die Top-3-Social-Media-Netzwerke Facebook (28 Prozent), Instagram (26 Prozent) und Snapchat (10 Prozent). Ein Blick auf die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen ergibt ein anderes Bild. Es führt Instagram mit 73 Prozent, mit deutlichem Abstand folgen Snapchat (44 Prozent) und TikTok (32 Prozent).

Dazu kommt: Bestimmte Netzwerke haben eine deutlich spitzere Zielgruppe, auch wenn sie statistisch gesehen in der erwachsenen Bevölkerung ab 14 Jahren eher eine nachrangige Rolle spielen. Im Jahr 2020 nutzten laut ARD/ZDF-Onlinestudie jeweils 4 Prozent aller Erwachsenen ab 14 Jahren Xing oder LinkedIn mindestens einmal wöchentlich. Twitter gilt in Deutschland als Netzwerk, in dem viele Politiker:innen und Journalist:innen unterwegs sind, auch wenn insgesamt laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2021 bei der erwachsenen Bevölkerung ab 14 Jahren nur 4 Prozent Twitter täglich oder wöchentlich nutzen.

Das Social-Media-Nutzungsverhalten macht deutlich: Sie müssen sich genau überlegen, welche Informationen Sie über welche Kanäle wie streuen. Wie ist die Zukunftsperspektive der Plattform; kurz vorm Exitus, kurzer Hype oder etabliert? Passen meine Themen zu den Menschen, die auf der Plattform unterwegs sind?

Wo sind kommunale Pressestellen in Social Media unterwegs?

Fragt man – wie die Online-Plattform #stadtvonmorgen im Jahr 2021 – Pressestellen von 48 Kommunen nach ihrem Einsatz von Social Media in der Behördenkommunikation, dann zeigt sich nach Eigenauskunft folgendes Bild: Die wichtigsten Social-Media-Auftritte beziehungsweise diejenigen, mit der größten Reichweite sind entweder Facebook oder Twitter. Instagram erweise sich als Plattform mit zunehmender Relevanz, so die dortige Rückmeldung aus den 37 antwortenden Kommunen.

Die Stadt Münster wird im Artikel von #stadtvonmorgen mit einem zentralen Punkt zitiert: „Soziale Medien ersetzen nicht Onlineangebote der städtischen Internetseiten. Sie ergänzen diese und führen zu diesen hin“. Ihnen muss folgendes bewusst sein. Nur auf Ihrer eigenen Webseite haben Sie als Behörde das Zepter in der Hand, in Social Media sind Sie Gast. Betreibende der Plattform können Ihrem Kanal den Saft abdrehen, manche Social Networks sind wieder gegangen, zum Beispiel Google+, MySpace, StudiVZ und wer-kennt-wen. Außerdem sind Sie immer abhängig vom Algorithmus der jeweiligen Plattform, zumindest bei organischen Inhalten ohne Werbebudget.

Ohne Ressourcen, Strategie und Evaluation klappt es auf Social Media nicht

Dem gegenüber stehen Ihre Ressourcen: Personal-, Zeit- und unter Umständen auch Geldfragen stellen sich schnell. Denn einer Sache seien Sie versichert: Social Media ist keine „Nebenbeibeschäftigung“, wenn die Mitarbeiter:innen mal eine kurze Verschnaufpause ihrer eigentlichen Aufgabe haben. Gute Social-Media-Arbeit braucht Ressourcen. Christiane Germann von amtzweinull hat dazu vor einiger Zeit eine sehr treffende Grafik unter der Überschrift „Was Social-Media-Verantwortliche in Behörden tun (sollten)“ veröffentlicht. Social Media verlangt demnach viel Hintergrundarbeit bis es zum Posten von Inhalten oder zur Antwort auf Anfragen von Bürger:innen kommt.

Social Media in Behörden: Hauptstadtkommunikation

Daher prüfen Sie:

  • Wie viel Mitarbeitende mit wie viel Stellenanteilen kann/will ich für Social Media in der öffentlichen Verwaltung einsetzen?
  • Wie viel Zeit räume ich diesen für Social Media ein?
  • Welche zusätzlichen Geldmittel muss/will ich aufbringen (Software, Hardware, Fortbildungen, …)?

Vor diesem Hintergrund müssen Sie strategisch an Ihren Einsatz von Social Media in der öffentlichen Verwaltung herangehen: Entscheiden Sie sich bewusst für Plattformen, wo Sie Ihre Zielgruppe für Ihr Kommunikationsziel erreichen können und bauen Sie dort Ihre Social-Media-Präsenz auf. Wenn Ihr Kommunikationsziel das erfolgreiche Anwerben von neuen Mitarbeiter:innen ist, dann sind das zum Beispiel Plattformen wie LinkedIn oder Xing, aber gegebenenfalls auch Instagram oder Facebook. Wenn Ihr Ziel die möglichst breite Information der Bevölkerung ist, sollten Sie sich auf andere Netzwerke konzentrieren. Hierfür wären Sie derzeit (noch) mit Facebook gut beraten.

Machen Sie sich Gedanken dazu, welche Kanäle Sie bedienen wollen auch immer mit dem Blick einer etwaigen Krisenlage: In einer Krise bauen Sie keine neuen Kanäle auf. Zum einen, weil Nutzer:innen diese nicht kennen, Sie dadurch kaum Reichweite generieren und sie Ihnen womöglich misstrauen (Ist das wirklich ein „echter“ Account?). Zum anderen, weil Sie selbst kaum Erfahrung und keinerlei Routinen im Umgang mit den Plattformen haben werden.

Seien Sie gewappnet für PR-Krisen

Kommunikationsziele priorisieren – Social-Media-Kanäle evaluieren

Im Zweifelsfalle priorisieren Sie verschiedene Kommunikationsziele und vergessen Sie nicht, Ihre bestehenden Social-Media-Auftritte zu evaluieren. Denn Karteileichen, also brachliegende oder scheintote Accounts, bringen Ihnen überhaupt nichts. Im Gegenteil: Sie schaden Ihnen und werfen ein schlechtes Licht auf Ihre Behörde.

Auf eine Art konsequent war hier das Bundesverfassungsgericht. Im August 2021 startete das oberste deutsche Gericht einen Instagram-Account – mit viel (kritischer) medialer Beachtung. Ende Dezember 2021 war heimlich, still und leise auch schon wieder Schluss. „Ablauf der Probephase“, wie ein Sprecher des Gerichtes gegenüber Legal Tribune Online äußerte. Fünf Monate sind allerdings erfahrungsgemäß äußerst wenig Zeit für eine qualitativ aussagekräftige Evaluation. Insbesondere dann, wenn – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts – die Interaktionsmöglichkeiten mit dem Kanal für die Community bei null lagen: Die Kommentar- und die Nachrichtenfunktion waren von vornherein abgestellt worden. Das zu tun ist auf keinen Fall nachahmenswert. Wer den Feedback-Kanal abdreht, führt das „Social“ von Social Media ad absurdum.

Auch wenn Sie sich gegen bestimmte Plattformen entscheiden: Haben Sie dennoch einen Blick auf sie. Nicht, dass dort plötzlich irgendjemand in Ihrem Behördennamen eine Seite einrichtet, irgendetwas unautorisiert postet und Sie bekommen nichts davon mit. Auch sollten Sie Diskussionen auf diesen Plattformen Aufmerksamkeit schenken und Social Listening in Ihre Social-Media-Strategie einbauen: Schließlich schwappt das ein oder andere Thema von dort auch in die klassischen Medien oder an Ihre Hotline.

Zugleich sollten Sie allerdings auch immer ein Auge auf neue Plattformen und Trends haben: Sie müssen nicht auf jeder Hochzeit tanzen, aber Sie müssen immer wissen, warum Sie auf einigen tanzen – und warum eben auf anderen auch nicht.

Sie wollen mehr über Social Media in der öffentlichen Verwaltung wissen?

Über Social Media im Allgemeinen und zu Social Media in der öffentlichen Verwaltung lassen sich ganze Bücher verfassen. Hier gebe ich Ihnen gerne einige Empfehlungen für den weiteren Weg an die Hand:

Grundlagen für die „allgemeine“ Social-Media-Arbeit finden Sie bei:

  • Christian W. Eggers (2019): Quick Guide Bildrechte. Rechtssichere Bildnutzung für Unternehmen, Vereine, Behörden, Journalisten und Fotografen – inklusive DSGVO. Wiesbaden: Springer Gabler.
  • Vivian Pein (2020): Social Media Manager. Das Handbuch für Ausbildung und Beruf. 4., aktualisierte Auflage 2020. Bonn: Rheinwerk.

Social Media in der öffentlichen Verwaltung funktioniert manchmal durchaus etwas anders als Unternehmenskommunikation, aber sie funktioniert. Alle Informationen dazu finden Sie bei:

  • Christiane Germann, Wolfgang Ainetter (2021): Social Media für Behörden. Wie Bürgerkommunikation heute funktioniert. Bonn: Rheinwerk.

Wer die rechtlichen Besonderheiten der Behördenkommunikation kennenlernen will oder wohl eher muss, dem empfehle ich:

  • Christian W. Eggers (2020): Quick Guide Social-Media-Recht der öffentlichen Verwaltung. Rechtliche Grundlagen und Gestaltungsoptionen in der Öffentlichkeitsarbeit. Wiesbaden: Springer Gabler.

Aktuelle Diskussionen zum Thema Social Media in der öffentlichen Verwaltung finden Sie regelmäßig auch auf Twitter oder LinkedIn unter dem #Behördenkommunikation.

Fazit

Setzen Sie sich mit dem Thema auseinander. Tauschen Sie sich mit Kolleg:innen anderer Social-Media-Auftritte von Behörden aus und schauen Sie über den Tellerrand. Und treffen Sie klare Entscheidungen für Ihren Einsatz von Social Media in der öffentlichen Verwaltung. Diese sind nicht in Stein gemeißelt, evaluieren Sie diese in regelmäßigen Abständen. Gegebenenfalls bauen Sie Ihre Kanalvielfalt aus oder stampfen Kanäle auch wieder ein. Eins sollten Sie jedoch nicht vergessen: Der Staat muss da sein, wo auch seine Bürger:innen sind – verstärkt auch auf Social Media.

Disclaimer
Dass der Einsatz von Social Media in der öffentlichen Verwaltung juristisch und insbesondere datenschutzrechtlich durchaus umstritten ist, muss hier erwähnt sein. Schließlich prägen diese Fragestellungen die Debatte seit Jahren, zuletzt durch einen Vorstoß des Bundesdatenschutzbeauftragten gegen die Facebook-Seiten der Bundesregierung. Da ich aber keine Juristin bin, verweise ich hier lieber auf Personen mit rechtlicher Expertise, die sich an verschiedenen Stellen immer wieder dazu äußern: Dr. Thomas Schuster, Christian W. Eggers oder auch Dr. Thomas Schwenke.

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